Cuba - Love it or leave it






Cuba - love it or leave it! Ein Essay

Einblicke und Durchblicke eines deutschen Kuba-Liebhabers

Von Harry Siebold , Juli 2000

Nun gut, dieser Slogan gilt sicher für einige Orte dieser Welt, doch für Kuba ganz besonders. Das Phänomen Kuba zu erklären, ist nicht ganz einfach. Dem bislang nicht in dieses Land Gereisten zu erklären, was den besonderen Reiz dieser Insel ausmacht ist mindestens so schwer wie umgekehrt dem Kubaner das deutsche Wesen zu erläutern. Deutschland ist eben nicht nur Mercedes, Lederhosen und „Schaffe schaffe, Häusle baue“ und Kuba in jedem Fall mehr als karibische Rhytmen, dunkelhäutige Schönheiten, Rum und Zigarren. Nur eines ist klar, Kuba hat etwas das wir nicht haben ... und wahrscheinlich auch nie haben werden.
Fragt man einen Deutschen, was ihn an seinem Land gefällt, denkt er eine Weile angestrengt nach und kommt am Ende immer auf die gleichen Dinge zurück: Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Sauberkeit, ah‘, nicht zu vergessen Fussball, Autos und natürlich das deutsche Essen. Zugegeben, an letzterem fehlt es den Kubaner nach wie vor und auch bei besserer Versorgungslage bräuchten sie eigentlich nicht wirklich stolz zu sein auf ihre Küche: Latino-Einheitskost egal wo: Reis und Bohnen, dazu viel Schwein und wenig Gemüse (Entdecke ich da nicht gar ein paar Ähnlichkeiten zu Deutschland oder stehen wir Deutsche schon immer auf Trennkost, Gemüsekuren und Haute Cuisine?).

Fragt man einen Kubaner, was ihm an seiner Insel gefällt, braucht der nicht lange zu überlegen: „No me gusta – pero la quiero, mi isla“ , „Ich mag Kuba nicht, ich liebe es!“. Und dann kommt immer wieder: „es algo que no te puedo explicar!“, da ist was, was ich Dir nicht erklären kann... .

Und genau da sind wir beim Thema. Was ist dieses „etwas“, was macht den Zauber dieses Landes aus? Wenn’s der Kubaner schon nicht so genau weiss, wie soll ich’s dann erklären? Und ich rede jetzt sicher nicht von den endlosen weissen Traumstränden, den wilden und romantischen Landschaften oder gar den hübschen Frauen – all die gibt’s woanders auch. Und doch hat Kuba etwas, was sonst auf der Welt fehlt. Jetzt, wo ich gerade darüber nachdenke,
überfällt mich schon wieder diese seltsame Melancholie, dieses schwere Drücken in der Magengegend und in der Brust . Zuletzt hatte ich dieses Gefühl so ungefähr mit sechzehn, als ich total verschossen war und noch romantische Verse gedichtet habe. Und jetzt ist es trotzdem irgendwie genauso, oder noch schlimmer. Nur dass ich mittlerweile die Dreissig überschritten habe und eigentlich ein ziemlich abgebrühter Hund bin. Und doch werde ich weich wie Butter, steigen mir beinahe Tränen in die Augen, wenn ich an Kuba denke. Kuba, mein Kuba! Bin ich verliebt?

Ja, ganz einfach ja! Doch ist es da heute natürlich wie mit den Frauen. Mit sechzehn da war ich noch blind vor Liebe, da waren auch die Mädchen schön, bei denen ich heute froh bin, dass ich sie damals nicht bekommen habe. Nichts hatte ich gesehen ausser die rosaroten Wolken. Doch die suche ich in Kuba ganz sicher vergebens. Da halt ich’s doch schon eher mit der Vernunft, wie jetzt auch bei den Frauen. Denn mit Dreissig wird man cool, und sucht nach Fehlern. Ein Grund zum Hassen findet sich da meist leichter als zum Lieben. Also mach ich mich daran, auch Kuba einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und fege den rosa Schleier einmal beiseite.

Denn das nicht alles Gold ist was glänzt, das zeigt sich hier sicherlich noch deutlicher als woanders. Tausend Gründe zum Lieben – und Abertausende zum Hassen. Natürlich masse ich mir nicht an, über alles Bescheid zu wissen, doch wenig ist es beileibe auch nicht. Seit 1993 bin ich in Kuba unterwegs, zu Fuss, auf dem LKW, mit dem Auto und vor allem auf dem Fahrrad. Zigmal kreuz und quer, tausende Kilometer und beinahe jeden Zentimeter Strasse habe ich abgefahren und habe Kuba kennen- und liebengelernt. Habe auf den Zuckerrohfelder, am Strand und bei den ärmsten Bauern auf dem Land und in stattlichen Kolonialvillen bei den „besseren Leuten“ geschlafen. Und was ist hängengeblieben von all dem? Gefühl, viel Gefühl. Lebensgefühl, das ich in Kuba wiederentdeckt habe, Mitgefühl, das mich beim Anblick des maroden Landes befällt. Lachen und Weinen liegen sehr nahe beisammen hier. Freude trifft auf Verzweiflung, karibische Klänge auf taube Ohren.
Und so vergesse ich traditionell kritisch-pessimistisch-deutschlandgeprägt-und-versauter Reisender einfach alles und versuche es zu nehmen wie die Kubaner, locker. Denn die lachen, beinahe pausenlos, obwohl sie nicht viel zu Lachen haben. Und Tanzen, obwohl der Hunger oft im Magen knurrt. Und während wir „fettgefressenen“ Deutschen uns an der „Never ending and most boring – Soap-Welt von „Big Brother“ ergötzen und uns als Höhepunkt des Sommers auf den Mallorca-Urlaub und die Europameisterschaft freuen, schlagen sich die Kubaner mit den Härten des Alltags und den Widrigkeiten eines Systems herum, von dem die meisten von nicht einmal ahnen, wie es tatsächlich ist.

O.K., Lachen, Musik und Tanzen, das kennen wir aus anderen südlichen Ländern ja auch. Selbst die meisten unserer EU-Nachbarn verstehen mehr vom „Savoir vivre“ als wir. Doch da ist etwas, was das alles überstrahlt, etwas ganz Kubaspezifisches – dieses „algo especial“ , das etwas ganz Spezielle halt.
Dieses „Etwas“ ist es, was die Kubaner ausharren und ihr Elend geduldig ertragen lässt. Denn entgegen der Auffassung vieler träumen nicht alle Kubaner von Miami und wollen weg. Nein, sie fühlen sich wohl – trotz kommunistischer Mangelwirtschaft und einem Polizeistaat, der seinesgleichen sucht auf dieser Welt. Natürlich warten alle auf bessere Zeiten und hoffen auf die Zeit nach Fidel Castro. Ein heller Streif tut sich da auf am dunklen Horizont, denn das es nach Fidel nur besser werden kann, darin sind sich alle einig. Nicht dass sie ihn nicht verehren würden, den alten Gaudillo. Seine Verdienste rechnen sie ihm hoch an. Nur irgendwann ist halt das Fass voll, nicht nur, weil die russische Schatztruhe seit langem leer ist – da muss die sozialistische Trickkiste her. Ablenkung heisst die immerwiederkehrende Zauberformel. Jedes Jahr der beinahe obligatorische Hurricane, erst „Lilly“, dann „George“, dann „Mitch“. Und nun seit Monaten die kubanische „Big-Brother“-Show.
Elían heisst der Held, der kleine Junge, der sein unschuldiges Gesicht für die Propaganda beider Seiten herhalten muss. Ein Monument am Malecon, der Uferpromenade in Havanna hat man ihm bereits errichtet. Ein sechsjähriger Held, dem zu Hause in Kuba bald die tägliche Milch gestrichen wird. Ab dem siebten Lebensjahr ist Schluss damit, denn die mageren Kühe geben eh‘ zu wenig davon und sind ausserdem für die überall aus dem Boden spriessenden „All-Inklusive“-Hotels reserviert.
Nun gut, zugegeben, die Versorgungslage hat sich spürbar verbessert, seitdem die Bauernmärkte wieder erlaubt sind. Und für die Touristen ist ohnehin alles im Überfluss da, gegen harte Dollars wohlgemerkt,
doch an die kommt in Kuba nun halt nicht jeder heran .
Doch sind die Familien gross, die Verwandten in Miami spendabel, der Arztsohn erfolgreicher Taxifahrer und die vielen Töchter in der „Touristenunterhaltungsbranche“ tätig (doch das ist ja ein anderes Thema). Und ansonsten wird improvisiert, angeschafft und rangeschafft, getrickst und gedeichselt. „Por isquierda“, „Linksherum“ heist dies auf Kubanisch und umschreibt so schön alles was ist und eigentlich nicht sein darf.

Denn Dürfen ist hier auf der Insel nicht erlaubt, doch alles was nicht ausdrücklich verboten und kontrolliert ist läuft dann halt „linksherum“. Die Kunst des Überlebens und der Improvisation, vielleicht ist diese schon ein kleiner Teil vom „Etwas“, das Kuba ausmacht. Ich bin dem Ganzen ja auf der Spur. Doch was ist es noch, das mir das Herz höher schlagen und den Kubanern nicht selten in die Hose rutschen lässt? Gut, Angst hat hier keiner, Sicher ist dieses Land wohl allemal, dank der Polizei, die an wörtlich jeder Ecke herumsteht. Oder wo sonst können Weisse mitten in der Nacht durch eine 3 Millionen-Metropole schlendern wenn nicht in Havanna? Geklaut wird wie überall, je höher in der Hierarchie, desto grösser der Anteil. Nur erwischt zu werden, hat fatale Konsequenzen. Vier Jahre für ein gestohlenes Fahrrad, 10 Jahre für ein geschlachtetes Rind, von den drakonischen Strafen für Schwerdelikte einmal ganz abgesehen. 40 Jahre für Zuhälterei, 30 für Prostitution, 5 Jahre Kartoffelernte auf dem Land für „Ersttäter“. Und selbst der ehemalige Aussenminister, dessen Ehefrau einen gutgehenden Prostitutionsring nach Übersee organiserte, ging nicht ganz straflos aus.

Doch eigentlich wollte ich ja gar nicht über Politik nachdenken. Hier übe ich mich wie die meisten in Geduld, lasse die internen Angelegenheiten Kubas weiter interne sein und warte wie 11 Millionen Kubaner auf den Tag X. Kommen wir wieder zum „Etwas“. Wie kann ich’s nur erklären? Wie soll ich das in aller Kürze schaffen, wenn grosse kubanische Schriftsteller wie Miguel Barnet oder die emigrierte Zoé Valdes mehrere Bücher brauchten, um den Mythos Kuba zu erklären. Kuba ist einfach mehr, mehr als Kaffee und Zuckerrohr, mehr als Salsa und Cohiba, mehr als Hemingway und Che Guevara, mehr als Sotomayor und „Kid Chocolate“, mehr als Wenders „Buena Vista Social Club“ , by the way, Rubens Gonzales und Compay Segundo hört in Kuba wirklich kein A.... .

„La vida es un carnaval“, „Das Leben ist ein Karneval“ , der Tophit seit Monaten. Daneben Ricky Martin, Enrique Iglesias und Carlos Santana – ganz wie bei uns, nur „...der Anton aus Tirol“ läuft noch erst nebenan in der DomRep und auch auf „Wadde Hadde Dudeda?“ hat hier niemand gewartet. Das Leben ist ein Karneval, zumindest in Kuba. Wobei die alltäglichen Kapriolen nicht immer zum Lachen sind.

Klar ist, das Kuba berauscht, betört. Und das nicht nur dank des wirklich ausgezeichten siebenjährigen „Añejo”-Rums (den im übrigen nur echte Warmduscher mit Cola mischen) und der aromatischen Zigarren. Was mich betört

Re: Cuba - love it or leave it! Ein Essay


Von Joe am 30.07.2000 11:06
als Antwort auf "Cuba - love it or leave it! Ein Essay" von Harry Siebold

Harry, ich danke dir für dein Essay.
Es ist dein Liebesbrief an Kuba und so sind deine Gedanken ähnlich wie:

Harrry
Und doch werde ich weich wie Butter, steigen mir beinahe Tränen in die Augen, wenn ich an Kuba denke. Kuba, mein Kuba! Bin ich verliebt?
Von Alfredo: (Übersetzung von Christine 27. 07)
Du bist der Grund meiner Glückseligkeit und jenem starken Lebenslichts, das Gott mir auf den Weg gegeben hat, deswegen schreibe ich Dir diese wunderschönen Zeilen und Wörter, die aus dem Tiefsten meiner Seele kommen.
Und weiter:
Habe auf den Zuckerrohfelder, am Strand und bei den ärmsten Bauern auf dem Land und in stattlichen Kolonialvillen bei den „besseren Leuten“ geschlafen. Und was ist hängengeblieben von all dem? Gefühl, viel Gefühl. Lebensgefühl, das ich in Kuba wiederentdeckt habe, Mitgefühl, das mich beim Anblick des maroden Landes befällt. Lachen und Weinen liegen sehr nahe beisammen hier. Freude trifft auf Verzweiflung, karibische Klänge auf taube Ohren.
Und weiter: Denn die lachen, beinahe pausenlos, obwohl sie nicht viel zu Lachen haben. Und Tanzen, obwohl der Hunger oft im Magen knurrt.

Ich frage mich auch woher kommt dieses Gefühl. Vielleicht ist folgendes auch eine Antwort auf deine Frage: Was ist dieses „Etwas“ an Kuba.
Nirgendwo und zu keiner Zeit in meinem Leben, habe ich ein so starkes Gefühl gespürt:

zu lieben und geliebt zu werden.

Und dann, nach einigen Tagen, lächelt mich im Park ein schönes Mädchen an und so langsam, komme ich zu ihr. Ihr grösstes Wunsch im Leben ist es, aus diesem Land weg zu gehen. Oh, liebes Mädchen, du kannst mit mir noch 10 Tage zusammen sein und wenn du wirklich willst, ich kann dich nach Europa einladen und dann wirst du sehen ob es dir dort gefällt.
Das Mädchen sieht in mir eine Möglichkeit weg zu kommen und mit diesen Gedanken schläft sie in meinen Armen ein. In dieser Nacht habe ich wenig geschlafen. Ich glaube, es gibt nichts schöneres auf dieser Welt als ein nacktes, schlafendes Mädchen und es will umarmt schlafen.
Das war die schönste emotionale Nacht in meinem Leben und es sind Tränen geflossen; über so viel Schönheit und über mein verpfuschtes Leben, dass ich so was ähnliches bis jetzt noch nicht erleben durfte. Ich glaube, das ist, was mich euphorisch macht wieder nach Kuba zu kommen.
Liebe Marlen, ich weiss nicht, wo du in Habana-centro lebst. Ich danke dir für diese Nacht. Ich fühle mich auch zu Kuba dankbar und so versuche ich mit meinen Verstand, die Situation zu analysieren und die Wege aus dieser Armut zu suchen.
Harry, ich bewundere wie und was du schreibst, aber, wenn es um die Politik geht, bin ich nicht deiner Meinung.

Harry:
Dieses „Etwas“ ist es, was die Kubaner ausharren und ihr Elend geduldig ertragen lässt. Denn entgegen der Auffassung vieler träumen nicht alle Kubaner von Miami und wollen weg. Nein, sie fühlen sich wohl – trotz kommunistischer Mangelwirtschaft und einem Polizeistaat, der seinesgleichen sucht auf dieser Welt. Natürlich warten alle auf bessere Zeiten und hoffen auf die Zeit nach Fidel Castro. Ein heller Streif tut sich da auf am dunklen Horizont, denn das es nach Fidel nur besser werden kann, darin sind sich alle einig.

In diesem Mai war ich zum ersten mal 2 Wochen lang auf Kuba. Nicht nur wegen der Sprache, konnte ich nicht viele Leute sprechen. Mich hat schon interessiert, was die Leute denken, was nach Castro kommt. Ja, die Leute glauben, dass nach dem Castro die Amerikaner kommen werden.
Die über 60 Jahre alte Frau will keine Systemveränderung, weil sie überzeugt ist, nachher wird es wieder so sein oder noch schlechter wie vor 40 Jahren und damals war es schlechter als jetzt. Ich glaube, sie hat auch Angst, dass sie aus dieser Wohnung dann raus müsste. Ihr 40-jahriger Sohn, (er lebte 5 Jahre in DDR und war auch mit einer Deutschen verheiratet), wünscht sich die Änderung, weil er meint, nachher wird es besser, es wird nicht mehr notwendig, so viel Steuern für das Zimmer zu bezahlen. (100$ monatlich, unabhängig ob sie die Touristen haben oder nicht)

Oder
30-jährige Frau mit einem Kind und 26-jährige in sechstem Monat schwanger. Beide lebten einige Jahre in Europa. Nach der Schwangerschaft die Freunde nicht mehr auffindbar. Ohne Arbeit. Sie sagen es bleibt nichts anders als die Touristen, um zu Geld zu kommen. Jetzt sind sie kranken versichert; nachher wird krank sein teuer und das bedeutet noch mehr anschaffen. Sie zeigt mir das Ultraschallbild von ihrem Baby, nachher wird so was nicht mehr möglich, sagt sie. Wenn man die Fotos von den Beiden schaut, meint man, das sind die glücklichsten Frauen auf der Welt.

Ok, ich habe auch zwei lange Gespräche mit einem Prof. Dr. Dr. und Direktor eines Museums. Er nennt die gleichen Argumente, wie ich gerade geschrieben habe. Aber ich weiss, er glaubt so reden zu müssen.

Ganz kurz noch folgendes:
Im Westen wird so viel über die Menschenrechte gesprochen und damit ist im allgemeinen die politische Freiheit gemeint aber zuerst kommen doch die sozialen Rechte. Und Kuba hat, die sozialen Rechte auf einem hohen Niveau.
Nach der Demokratisierung in Osteuropa geht den armen Leuten in den ärmsten Staaten schlechter als vorher. Weil Kuba auch ein sehr armes Land ist, so glauben die Armen, und die Älteren auch, dass es nachher nicht besser wird, sondern schlechter.

Mag es sein, dass Viele so denken: Es ist utopisch zu glauben, das ein kleines Forum von Kuba-Liebhabern, einen Einfluss auf die kubanische Führung haben kann.

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