Die Situation


auf Kuba

Einschätzung der Situation auf Kuba


Von Bernhard am 18.06.2000


Hallo Kubafreunde!

Zunächst einmal: Es gibt auch eine Reihe positiver Entwicklungen und Reformen, die die cubanische Wirtschaft voranbringen könnte. Dazu zähle ich die gewachsene Freiheit und Selbstverantwortung in einigen staatlichen Firmen wie z.B. dem Internetanbieter Colombus. Dazu zählen auch die Freihandelszonen, die sicher in Zukunft mehr ausländische Investitionen anziehen werden. Dazu gehören auch Schritte der privaten Liberalisierung wie die Zulassung privater Faxgeräte und kirchlicher Zeitung sowie die Toleranz gegenüber der privaten Nutzung des Internets.

Insgesamt bleibt jedoch ein gehöriger Reformbedarf und meine Befürchtung, dass die positiven Ansätze der beiden letzten Jahre durch den staatlichen
Bürokratismus wieder zunichte gemacht werden könnten.
1.
Die Entwicklung des staatlichen Sektors (der ja immer noch den Grossteil der Wirtschaft ausmacht) betrachte ich mit Skepsis, da es nicht gelingen wird, ohne motivierte Mitarbeiter vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Und die Motivation wird man nicht herbeiführen, wenn man
qualifizierte Leute weiterhin mit 200-300 Pesos und zwei Stück Seife (das nicht mal für viele) monatlich abspeist. Ich möchte nicht den Begriff der Sklaverei benutzen, aber ein Stückweit trifft es faktisch zu, wenn man Mitarbeiter selbst gut florierender Tourismuseinrichtungen nicht am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Entsprechend geht die Tendenz dahin, sich während der offiziellen Arbeit "auszuruhen", um anschliessend seine eigenen Geschäfte zu machen. Entsprechend nimmt die Korruption zu, von der leider nur Chefs und Funktionäre profitieren, die aber offenbar inzwischen schon als alltäglich betrachtet wird.
Nur ein Beispiel dazu: bei der Errichtung des Novohotels in Havana wurden für die 200 Zimmer 200 Badeinrichtungen benötigt, die Firma bestellte jedoch gleich 300, da man damit rechnete, dass sich 100 unterwegs "
in Luft auflösen "!
2.
Cuba ist bis heute nicht in der Lage, die wichtigsten Dinge des täglichen Bedarfs selbst herzustellen. Zwar füllen sich die
Dollar-Shps mehr und mehr mit cubanischen Produkten, aber schon bei den einfachsten Industriegütern hört es auf: Fahrräder, Malpinsel, Schreibpapier, Duschköpfe, selbst Haarspangen werden importiert.
Cuba hat jahrzehntelang mit der
Lüge gelebt, dass alle erhältlichen Waren vor der Spezialperiode Produkt der eigenen Arbeitskraft seien und der vermeindliche Wohlstand ein Produkt der sozialistischen Wirtschaftsordnung . Auch heute werden die 6% Wirtschaftswachtum als Erfolg gefeiert und die weiter möglichen 30%, die durch Bürokratismus abgewürgt werden, übersehen. Ich glaube, auch die im Forum nal angesprochene Frage, warum Cubaner so viel lüge , hat mit diesem Phänomen zu tun, dass das cubanisches System auf eine Lebenslüge aufgebaut ist.
3.
Privatinitiativen werden immer noch in zu starken Masse abgewürgt. Wenn jemand ein Konzept hat, fehlende Malpinsel aus Naturprodukten herzustellen, bekommt er zwar die Genehmigung, sie in Handarbeit herzustellen, darf aber kein Geschäft einrichten, um sie zu verkaufen. Geschweige denn können staatliche Läden, die solche Produkte eigentlich verkaufen sollen, von diesem privaten einkaufen und entsprechenden Gewinn machen.
4.
Der Jugend fehlt
jegliche Perspektive . Studien- und Bildungsmöglichkeiten gibt es genügend, die anschliessenden beruflichen Möglichkeiten sind jedoch gleich Null. Jegliche Kreativität, das Erlernte in wirtschaftliches Handeln umzusetzen, wird durch Verbote, Direktiven und mangelnde Entlohnung abgewürgt, um die Ideen privat in die Tat umzusetzen, fehlen die gesetzlichen Möglichkeiten.
Entsprechend hat die Jugend auch den
Glauben an die Revolution verloren. Zwar kenne ich kaum jemanden, der sich die Miami-Mafia ins Land wünscht oder nicht bereit wäre, seinen Teil für die Erhaltung des Bildungs- und Gesundheitssystems beizutragen, aber die Menschen sind die Perspektivlosikkeit und mangelnde Gestaltungsmöglichkei satt.
Die
Elian - Kampagne hat zwar den Anschein, dass das Volk stärker hinter Fidel steht. Doch letztendlich wenden sich die Leute jetzt erst recht ab, da sie die Propaganda und Lügen nicht mehr hören wollen. Der Witz mit dem erwachsenen Elian, der in 20 Jahren für seine Freiheit demonstriert, geistert auf der Isla über alle Stammtische, Fidel wird nicht mehr ernst genommen.
5.
Auch im
Tourismus läft Cuba Gefahr, Schiffbruch zu erleiden. Jede private Klitsche bietet besseren Service als die staatlichen Einrichtungen. Bei letzteren scheint das Konzept vorzuherrschen, dem Touri während seines Aufenthalts so viel $$$ wie möglich aus der Tasche zu ziehen, Service egal. Folge: die Touristen kommen nicht wieder, und wenn der Cubaboom abflaut, wird die cubanische Wirtschaft eine Böse Überraschung erleben. In Havana ist schon heute Ernüchterung aufgrund der ausbleibenden Touris zu spüren.

http://www.isla-de-juventud.com/


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